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Für immer vereint



Sie ist die Liebe meines Lebens, doch wir können nicht zusammen sein. Wir dürfen nicht. Ihre Eltern hassen mich. Sie hassen mich wirklich! Nur weil ich aus der Arbeiterschicht komme und sie Gelehrte sind. Herr und Frau Professor. Ist das denn wirklich ein Grund, einen Menschen so sehr zu verachten? Weil ich für mein Geld arbeite? Weil ich tagtäglich in der Fabrik stehe und Fließbandarbeit leiste? Auch die muss verrichtet werden! Und Gelehrte sind sich offensichtlich zu fein dafür. Die bewegen sich nicht in die Nähe einer Fabrik, geschweige denn die eines Arbeiters dort. Und ihre Kinder dürfen solchen Umgang natürlich auch nicht pflegen. Wo kämen wir denn da hin? Um Himmels Willen!Ihre Eltern verbieten ihr, mich zu treffen. Dabei ist sie bereits 22! Und so müssen wir uns heimlich sehen, in der Nacht. Wie jede Nacht warte ich unter dem Kirschbaum auf sie. Der Kirschbaum im Park, der im Frühling in voller Blüte steht. Sie sieht sogern zu, wie die rein weisen Blüten vom Wind erunter geweht werden. Es ist ihr Lieblingsplatz. Und meiner auch. Weil ich dort mit ihr sein kann.

Es ist Herbst. Die Blüten längst verblüht. Die Früchte fallen langsam ab, zieren den Boden als matschige rote Flecken. Ich sitze unter unserem Baum und warte. Ich zähle jede Minute, jede Sekunde, die sie nicht bei mir ist. In der Ferne, auf dem Weg des Parkes, vom Licht einer Laterne angestrahlt, sehe ich eine Gestalt. Sie kommt auf mich zu. Der Wind zerrt an ihrem langem Haar und weht ihren Rock auf. Mit langsamen bedächtigen Schritten kommt sie näher. Ich stehe auf, gehe ihr entgegen. Ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen. Es freut mich jedes Mal aufs Neue, sie zu sehen, se in meine Arme schließen zu können. Ich breite meine Arme aus, will sie bei mir aufnehmen. Doch sie bleibt einen Schritt von mir entfernt stehen. Ihr Blick ist gesenkt. Ihre Schultern hängen. Ich kann ihre Hände zittern sehen.

„Liebste, was...“

Sie bricht meinen Satz ab. Als sie aufsieht, mich ansieht, sehe ihr tränenverschmiertes Gesicht. Schwarze Linien ziehen sich von ihren Augen her über die Wangen. Sie beißt sich auf die Unterlippe und sieht mich klagend an.

„Wir ziehen fort. Sie zwingen mich mit ihnen zu gehen. Sie wollen nicht, dass wir... dass wir zusammen... Sie wollen mich von dir... fern...“, schluchzend brechen ihre Worte ein wie ein wackeliges Kartenhaus. Völlig kraftlos bricht sie in sich zusammen. Ich fange sie auf. Drücke sie an mich. Sie können uns nicht trennen! Unsere Liebe ist stärker!

„Gleich morgen werde ich zu ihnen gehen und...“

„Nein!“, schreit sie voller Entsetzen.

„Nein“, wiederholt sie dann noch einmal, mit sanfter zittriger Stimme, „Sie werden nicht auf dich hören. Sie... hassen dich, du weißt...“

„Ich weiß“, sage ich ruhig. Ich streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, eische eine Träne weg und streichle ihr über den Kopf. Das beruhigt sie. Sie schmiegt sich sachte an mich. Ich spüre ihren warmen Atem an meinem Hals. Ihre Finger zerren sanft an meinem Shirt. Ich möchte sie für immer so halten. Möchte immer für sie da sein, sie stärken und schützen.

„Was sollen wir tun, Liebste?“, frage ich vorsichtig, als sie sich beruhigt hat, sie nicht mehr zittert. Doch sie antwortet nicht. Der Wind ist das Einzige, das ich hören kann. Das Rauschen der Blätter, die von ihm herab geweht werden. Ich drücke sie sanft an mich. Spüre ihren Atem und genieße.
Sanft schiebt sie mich von sich. Verwirrt sehe ich sie an. Ihr Blick ist gesenkt. Sie greift in ihren Mantel. Und zieht etwas heraus. Es blitzt. Das ferne Licht der Laternen, vielleicht auch der Mond, spiegelt sich in der glatten Oberfläche. Wenn sie es bewegt, scheinen die Lichter zu tanzen. Entgeistert sehe ich sie an.

„Willst du mir folgen? Überall hin? Immer mit mir vereint sein?“, fragt sie ruhig aber bestimmt. Mit einem Mal erkenne ich, worauf sie hinaus will. Ich erkenne, was es für Konsequenzen haben wird. Und ich zögere keinen Augenblick.

„Ich will“, flüstere ich und ziehe ihr wunderschönes Gesicht zu mir und küsse sie. Ihre Lippen sind so zart. Niemals könnte ich ihnen widerstehen. Sie nimmt meine Hand und legt den Griff hinein, dann schließt sie meine Finger darum. Wieder sehe ich sie an.

„Ich kann das nicht tun“, flüstere ich, „Ich kann dich nicht...“

Sie legt einen Finger auf meine Lippen, bedeutet mir zu schweigen und kommt an mein Ohr.

„Ich werde dir folgen, mein Liebster“, haucht sie. Ihre Augen funkeln, als sie mich ansieht. Erwartungsvoll. Voller Neugier. Ich sehe auf das Messer in meiner Hand. Für immer mit ihr vereint sein, dass ist es, was ich will. Ich nehme es in beide Hände, drehe es zu mir und steche mir damit direkt ins Herz. Das Letzte was ich sehe, ist sie. Ihr wundervolles Gesicht. Es wird schwarz, schemenhaft. Verschwimmt. Verschwindet. Verschmilzt mit der Dunkelheit.

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