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Männerfiguren im Shonen
Ein Hang zur Selbstüberschätzung

Männer im Shounen, nervige Klischees

Mit der Zeit haben sich in soziemlich allen Genre der Unterhaltungsmedien gewisse Stereotypen eingeschlichen und festgesetzt. Das ist nicht weiter verwunderlich, da sich die unterschiedlichen Themenbereiche natürlich auch mit unterschiedlichen Typen Mensch befassen. Eine Teenie-Liebesgeschichte dreht sich zumeist um Jugendliche in der Mittel- oder Oberstufe und ein Actionstreifen zumindest oft um eine Figur mit Kampferfahrung und entsprechendem (düsteren) Hintergrund.
Im Bereich der Young Adult Literatur hat sich daraus ein regelrechter Kult entwickelt, der sich über die ein oder andere Eigenart des Genres echauffiert. Sei es nun die angeblich unabhängige und starke Heldin die von einem gutaussehenden Mann - eindeutig ihr Seelenverwandter! - unterstützt wird und ohne ihn mehr als offensichtlich aufgeschmissen wäre oder die klassische Damsel in Distress, die sich schluchzend in seine starken Arme wirft und beschützen lässt. Derartige Klischees und Characterbuilds haben sich bewährt, zu Freud und Leid des Lesers.
Natürlich kommen diese Stereotypen nicht in jedem Werk seines Bereiches vor, das will ich auch nicht behaupten. Dass sie sich aber immer und immer wieder finden, ist unabstreitbar. Wir würden uns nicht darüber auslassen, wenn es nicht so wäre. Die Mary Sue wäre nicht benannt worden, wenn dieses Phänomen nicht zumindest eine Spur zu oft aufträte.

Auch im Manga und Anime Bereich gibt es solche Marys Sues der Genres. Das verunsicherte und manchmal weinerliche Mädchen ohne Selbstbewusstsein im Shoujo, der harte und unnahbare (kampferfahrene) Held im Seinen und dann wäre da noch der Shounen Held. Und über eben diesen möchte ich heute ein wenig mit euch sprechen.
Er ist euch sicherlich schon in dem ein oder anderen Werk aufgefallen, der Grünschnabel, von der Welt und ihrer Komplexität und Grausamkeit absolut keine Ahnung, aufgewachsen in einem mehr oder weniger behüteten Umfeld aus dem er jäh gerissen wird. Er hat keine besonderen Talente, keine großartigen Charaktereigenschaften und doch einen unübertroffenen Hang zur Selbstüberschätzung. Seine größte Stärke ist sein Gemeinschaftsgeist und die Bereitschaft, sich für seine Freunde zu opfern. Er will stets mit dem Kopf durch die Wand, ohne vorher auch nur ansatzweise bedacht zu haben, was für Konsequenzen sein Handeln hat, geschweige denn ob es sinnvoll wäre. Dabei fühlt er sich manchmal mächtig und manchmal unendlich klein. Das Resultat ist aber oft das gleiche: Er stürzt sich laut brüllend in den Kampf, siegessicher, und geht gnadenlos zu Boden.

(Triggerwarnung: Der nachfolgende Abschnitt beinhaltet grobe Spoiler zu folgenden Titeln: Deadman Wonderland, Hiniiru, Rurouni Kenshin und AJIN.)



Das ist so typisch, so klischee!

Wie oft habe ich schon mit Leuten über einen meiner absoluten Lieblingsmanga gesprochen und immer wieder ein und dieselbe Einschätzung gehört: "Deadman Wonderland ist geil, aber Ganta ist der größte Depp". Und ich kann ihnen noch nicht einmal widersprechen. Doch warum ist das so?
Nun, Ganta Igarashi ist genau das eben Beschriebene. Es war quasi eine Charakterisierung seiner Figur. Die Shounen-Helden die ich mit diesem Text anspreche, "leiden" nicht an all den Merkmalen, sondern einer guten Mischung aus. Nur nicht Ganta. Ganta ist ein Idiot. Zumindest empfinden wir ihn oft als solchen.
Er wuchs wie ein normaler Junge auf, mit Freunden und Alltagsproblemen und zwar genau solange bis er beschuldigt und verurteilt wurde, seine komplette Klasse ermordet zu haben. Von da an wurde er zum selbsternannten Helden eines Gefängnisses, das mehr als nur ein Gesetz bricht. Er machte es sich zur Aufgabe, all diese Ungerechtigkeiten und Lügen aufzudecken. Schlimmer noch, er nahm sich vor, gegen seine Peiniger zu kämpfen. Und das obwohl er unter all den Deadman der Schwächste ist. Er will ein Anführer sein, ein Held und ein Retter. Doch er ist zu schwach, zu wenig erfahren und allem voran naiv. Er steht sich selbst und auch seinen Kameraden im Weg, verschlimmert die Situation teilweise sogar. Er will mit dem Kopf durch die Wand.
Kleiner Fun Fact am Rande: Senji aka Crow zeugt zwar auch von einem viel zu großen Ego, aber kann es sich immerhin leisten. Er hält eindeutig ein bisschen zu viel von sich und seinen Fähigkeiten, ist dafür aber ein ausgezeichneter Kämpfer auf den man sich verlassen kann.

Männer im Shounen, nervige Klischees, Ganta Igarashi & Senji/Crow
links Senji, rechts Ganta

Ähnlich verhält es sich mit Kagerou, dem Protagonisten des Manga Hiniiru. Bereits in der zugehörigen Rezension habe ich mich darüber ausgelassen, wie sehr Kagerou in seinem Denken und Handeln, aber auch seinem Charakter Ganta nachempfunden ist. Anfangs empfand ich es als positiv, da ich Parallelen zu einem mir bekannten und geliebten Titel ziehen konnte. Doch von Seite zu Seite ging es mir zunehmend auf die Nerven. Gerade Gantas negativen beziehungsweise anstrengenden und nervenden Eigenschaften fanden hier sehr viel Wiedererkennungswert. Ohne nachzudenken einfach machen. Glauben man könnte etwas bewegen, obwohl man nicht bereit dafür ist. Die Freunde um absolut jeden Preis retten wollen. Und langsam zeichnete sich ein Muster ab.

Männer im Shounen, nervige Klischees, Kagerou

Auch in anderen Geschichten sind mir solche Figuren aufgefallen, wenn auch die nur einen Bruchteil der aufgezählten Eigenheiten aufweisen - glücklicher Weise. Rurouni Kenshin beispielsweise beherbergt einen interessanten Charakter: Sanosuke Sagara, ein Bauernjunge der unter den Fittichen des Kommandanten der Shinsengumi aufwuchs. Ein Rowdy aber auch eine Kämpfernatur. Er liebt das Kämpfen und sucht immer neue Herausforderungen. Und bisher hat er keine Auseinandersetzung verloren. Ganz im Gegenteil. Zu Beginn der Handlung besiegt er zwei Rüpel bei einer Kneipenschlägerei mit einem Fingerschnippen - von Glaubwürdigkeit müssen wir hier nicht anfangen.
Von Hass und Rachegelüsten getrieben will auch er, wie so viele andere in der Geschichte, den Attentärer Battousai umbringen. Als dieser dann tatsächlich vor seiner Nase auftaucht, fordert er ihn ohne zu zögern zum Duell, siegessicher. Den Ausgang dieses Kampfes muss ich wohl nicht weiter ausführen. Auch im späteren Verlauf gibt es Situationen in denen er sich maßlos überschätzt und daran zugrunde geht. Doch er rafft sich auf und trainiert.
Große Klappe nichts dahinter mag im Falle von Sanosuke vielleicht übertrieben gesagt sein. Nichts desto trotz passt auch er in gewisser Weise in das Schema von übereifrigen und vorschnellen Shounen-Helden.

Männer im Shounen, nervige Klischees, Sanosuke Sagara/Zanza

Auch der Protagonist von AJIN, Kei Nagai, hat gewisse Züge dieses Stereotyps. Er mag zwar einen sehr ausgeprägten, vom Schema abweichenden Charakter haben, doch überschätzen kann er sich selbst dennoch sehr gut. Kei ist eine eher düstere und negativ veranlagte Natur. Er schert sich nicht darum, was mit anderen geschieht und ob er ihnen wehtun könnte, sondern sorgt in erster Linie für sich selbst. Seine rationale und logische Denkweise gibt ihm eine eindeutige mentale Stärke, die in der Geschichte auch oft zum Einsatz kommt. Doch wenn es dann zur tatsächlichen Ausführung eines Plans kommt, scheitert er immerzu an sich selbst.
Er überschätzt seine Fähigkeiten seinen Geist zu kontrollieren und gerät an die äußersten Grenzen seiner geistigen und emotionalen Stärke. Außerdem neigt er dazu, sich vorschnell eines Sieges sicher zu sein und wird dann vom Gegner überrascht und überrumpelt. Der Ausgang davon ist oft genug ein herber Rückschlag. Erst scheint es als würde alles glatt laufen und im nächsten Moment fliegt er schwer verwundet durch eine geschlossene Tür. Klarer Fall von Selbstüberschätzung. Auch ein Hauch Naivität lässt sich darin erkennen.

Männer im Shounen, nervige Klischees, Kei Nagai




Wiedererkennungswert oder einfach nur nervig?

Viele Genre haben solche Figurengerüste, in die man nur noch eine Prise "hab ich selbst gemacht" streuen muss. Dass ich mich nicht ausgerechnet mit der Mary Sue der YA Fantasy befasse ist klar. Darüber wurde und wird bereits oft genug gesprochen und ich habe eindeutig nicht genug Bücher gelesen, um mich wirklich daran stören zu können. Warum ich nun im Mangabereich aber ausgerechnet den naiven Shounen-Jüngling gewählt habe ist einfach: Er nervt.
Neben all den Charakteren, die man wieder und wieder sieht, ist er einfach der Anstrengenste. Die charakterlich oft flach konzipierten Figuren im Shoujo werden immerhin von abweichenden Hintergründen und Außeneinflüssen abgemildert. Und den von Rache getriebenen Hau-Drauf-Action-Held *Liam Neeson*hust* ignoriere ich mittlerweile vollends. Er kann immerhin nichts dafür, dass seine Storyboardschreiber keine besseren Ideen als Rache für getötete oder entführte Familienmitglieder haben. Das macht wenigstens nicht seinen Charakter aus.

Allmählich bin ich es leid, mir immer und immer wieder die gleiche Figur anschauen zu müssen und mich zu fragen, warum sie nicht einfach mal eine Sekunde nachdenkt. Es mag sein, dass die meisten dieser Figuren - im Falle von Geschichten der heutigen Zeit - aus einem gewöhnlichen Leben gerissen wurden und bisher nur langweiligen Schulalltag und Prüfungsstress kannten. Doch müssen sie deswegen gleich alle ihr Leben riskieren, um niemanden sterben zu sehen? Wäre es nicht zwischendurch auch mal angenehm und logisch, jemanden zu haben der natürlich reagiert und stattdessen vor Angst um sein eigenes Leben schlottert? Müssen sie deswegen alle Dummköpfe sein, die ihr Handeln nicht durchdenken und blindlings ins Kreuzfeuer rennen, nur um dann zu festzustellen, dass das kontraproduktiv ist? Ist es notwendig, dass man ihnen von allen mit ähnlichen übernatürlichen Fähigkeiten die Schwächste, Nutzloseste oder am schwersten zu kontrollierende gibt? Und müssen sie wirklich immer denken, sie wären trotz dieses Umstandes einem Feind überlegen, der seine Fähigkeiten bereits viele Jahre länger nutzt, Erfahrung damit hat und auch noch stärker ist?

Im Falle Kei Nagai hatte ich mich wirklich darüber gefreut, dass er anders ist, dass er diese unnahbare und gleichgültige Art hat. Ich fand es angenehm, dass er nur an sich und niemals an andere dachte. Bis er Menschen wegen seiner eigenen Schwäche sterben sah und in Tränen ausbrach. Eine natürliche und menschliche Reaktion, ja, aber sie passte nicht zu seinem Charakter. Dass er dann an dieser naiven Selbstüberschätzung leidet, hat ihn mir schlussendlich wieder unsympathisch gemacht. Er war so vielversprechend.

Männer im Shounen, nervige Klischees

Kommentare

  1. Ich finde den Artikel sehr gut.

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    1. Vielen lieben Dank, das freut mich sehr :D

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  2. Wollt grad sagen, den Artikel kenn ich doch - aber er ist ja auch schon ein paar Wochen alt :P

    Klischeefiguren gibt es überall, deshalb bin ich wählerischer geworden im Laufe der Jahre. Sofern nicht das komplette Paket sich an den obigen Darstellungen herleiten lässt, drück ich auch mal ein Auge zu. Anosnsten beorzuge ich Charaktere die "anders" sind :D

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    1. Wiedererkwnnungswert hm, hihi :D

      kann ich gut nachvollziehen, trotzdem geb ich den Charakteren erstmal eine Chance. Damit ich etwas abbreche, muss es mich schon arg langweilen oder gar nerven *hust* Hiyokoi ähem :3 (wobei da gab es mehrere)

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