Eine Geschichte über Freundschaft und den perfekten Sommer, wer will das nicht. Einmal dem Alltag entfliehen, die Gesellschaft außer Acht lassen und nur für sich leben. Keine Rücksicht auf Pflichten, kein Gefühl für Zeit. Keine Sorge um die Zukunft. Einfach im Hier und Jetzt leben. In Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen wagen die Protagonisten genau das.
Es ist Sommer. Es ist heiß. Grillsaison. Der perfekte Anlass die lästigen Schulsachen nach dem bestandenen Abitur zu verbrennen. Der perfekte Anlass sein Leben zu leben, frei zu sein. Einfach weg. Irgendwohin. Irgendwann. Egal. Einfach los.
Während Hanna eigentlich nur ihr gewöhnliches Leben leben will, ihr freiwilliges Jahr antreten und in die Zukunft schreiten, verschwindet ihr bester Freund Ben einen Monat lang spurlos, sprayt Grafittis, schwänzt den Schulabschluss. Eigentlich ist Hanna wütend auf Ben. Wütend dass er einfach ohne ein Wort verschwindet, dass er zurück kommt als sei nichts gewesen, dass er trotz Vorstrafe illegal sprayt. Trotzdem steigt sie in das Auto, das die beiden weit weg von alledem bringt und den Sommer ihres Lebens einleitet.
Diese Geschichte beginnt relativ harmlos und spitzt sich von Kapitel zu Kapitel immer weiter zu, als würden Spannung, Drama und Absurdität Hand in Hand eine Leiter empor klettern. Nach dem Abitur fahren die Protagonisten Hanna und Ben ohne erkennbares Ziel und ohne Plan Richtung Norden, im Kofferraum Campingausrüstung, Klamotten, Lebensmittel und ein Stapel Bücher vom Flohmarkt. Denn was braucht man schon groß im Leben?
Während Hanna sich als eher bodenständiges Mädchen entpuppt, scheint Ben ihr komplettes Gegenteil zu sein. Wäre er nicht losgefahren, wäre sie niemals fortgegangen. Er stachelt sie an über sich hinauszuwachsen und Dinge zu tun, die zu tun sie sich niemals getraut hätte. Sie wiederum gibt ihm Halt und Sicherheit, emotionale Sicherheit, die er sonst nirgends bekommt. Und obwohl sie "nur" beste Freunde seit Kindertagen sind, scheint zwischen den beiden eine gewisse Abhängigkeit voneinander zu bestehen.
Dass Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen geradewegs auf eine mehr oder minder kitschige Liebesgeschichte zusteuert, obwohl es Abenteuer und Freundschaft suggerieren möchte, ist bereits sehr früh klar. Die Geschichte, aus Sicht von Hanna geschrieben, fokussiert sich sehr stark auf die beiden Protagonisten und lässt Umwelt und Personen um die beiden herum als unbedeutende Statisten stehen. Obwohl Hanna durchgehend betont, dass die beiden beste Freunde sind, ist sie sehr auf sein Äußeres und sein Auftreten, seine Wirkung auf andere und besonders seine Wirkung auf sie selbst fixiert.
Vielleicht liegt es an mir und meinem Verständnis für Freundschaft, doch wenn man "nur" befreundet ist, denkt man wohl kaum mit jedem Blickkontakt über Aussehen, Stimme und Geruch des anderen nach. Hanna wirkt also - für mein Verständnis - von Anfang verliebt. Es scheint als würde sie sich diese Freundschaft nur einreden, weil sie ihre Gefühle nicht erkennen will.
Ja und Nein.
Ich bin sehr zwigespalten, was Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen angeht. Zu allererst einmal ist es seit Jahren das erste Buch - Die Götter von Asgard kamen danach - das mich wirklich dazu bewegt hat, überhaupt mal wieder ein Buch statt einem Manga zu kaufen. Das letzte Buch das mit mir über die Ladentheke ging, war zuvor der dritte Band der Sonea Saga, den ich bis heute nicht gelesen habe - und der ist schon etwas älter. Ich bin also generell schon recht anspruchsvoll was die Auswahl angeht und faul was das Lesen an sich betrifft.
Die Protagonisten sind für mich nicht greifbar und erst recht nicht nachvollziehbar. Ich kann mich nicht in Hanna und ihre Gefühlswelt hineinversetzen und auch der Sympathieaufbau zu Ben hat bei mir einen sehr langen Anlauf benötigt. Das hat mehrere Gründe:
Erstens Ben. Das erste Kapitel beginnt mit einer Szene, in der Hanna zwar besorgt, in erster Linie aber wütend auf Ben ist. Es hilft nicht einen Charakter zu mögen, wenn die Ich-Erzählerin mit einem negativen Erlebnis mit diesem Charakter startet. Die sehr unkonventionelle Art Bens bedingt dann noch, dass man eine gewisse Eingewöhnungszeit braucht, sich auf ihn einzulassen.
Zweitens Hannas Gefühle. Wie bereits erwähnt spricht und denkt Hanna in Bezug auf Ben immerzu von Freundschaft. Ihr Handeln aber schreit das Wort "Liebe" zwischen den Seiten heraus. Natürlich kann man Gefühle ignorieren oder verdrängen, nicht bemerken oder falsch einschätzen. In diesem Fall aber nimmt es für mich ein wenig von Hannas Glaubwürdigkeit. Vielleicht aber war die Autorin auch einfach selbst ein wenig (zu) verliebt in ihre eigene Figur.
Drittens Hannas Denken. Hanna ist für mich ein Charakter sehr weit ab meiner Identifikationsgefühlsspanne. Das ändert sich - wie sehr vieles - erst gegen Ende des Buches. Sie ist etwas naiv und übervorsichtig. Allein im Dunkeln oder von einem Fremden angesprochen, denkt sie sofort vergewaltigt oder ermordet zu werden. Ich kann solche Ängste durchaus nachvollziehen. Doch wirkt es in ihrem Fall nach außen hin überdramatisiert - ich weiß das zu beurteilen steht niemandem zu, doch ich habe mich beim Lesen ein wenig daran gestört. Wer Gras raucht, ist schlagartig nicht mehr zurechnungsfähig und höchst gefährlich. Das Sprayen kritisiert sie wie eine Todsünde - auch wenn der Grund dafür erklärt wird. Alles Dinge die mir übertrieben vorkommen, Dinge in die ich mich nicht hineinfühlen kann.
Tatsächlich kann ich Chloé und Sam - die beiden Nebencharaktere im späteren Geschichtenverlauf - besser verstehen, als die Protagonisten. Die beiden wirken für mich realer. Weniger perfekt, mehr Macken, mehr Eigenheiten, mehr eigensinniger Charakter, mehr echt.
Auch der Spannungsbogen blieb lange Zeit aus. Bis über die Hälfte des Buches habe ich nur aus dem einem Grund weitergelesen, dass ich der Geschichte eine Chance geben wollte. Sie war nicht schlecht, keineswegs. Aber gut war sie auch nicht, nicht fesselnd, nicht überzeugend. Sie hat mich nicht in ihren Bann gezogen, was vermutlich hauptsächlich an dem eben genannten Problem mit Hanna und Ben liegt. Wären die beiden für mich greifbarer gewesen, würde ich diesen Punkt nicht anführen. Waren sie aber nicht.
Ebenso wie meine Sympathie zu Ben kam auch der Spannungsbogen erst sehr spät im Verlauf. Erst als die Handlung sich zuspitzte und es zu dem - im Klappentext fälschlicher Weise als Hauptthema angeführten - schrecklichen Ereignis kam, wurde Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen für mich interessant. Die Protagonisten sowie auch teilweise die Nebencharaktere machten und machen zu diesem Punkt eine Veränderung durch; Hanna wird greifbarer und Ben wird mehr und mehr zu jemandem bei dem ich verstehen kann, dass man ihn anschmachtet. Mit dieser charakterlichen Veränderung kommt auch eine Auffahrt der Spannung, die einen mitreißt und dazu zwingt, das Buch erst wegzulegen wenn die letzte Seite gelesen ist. Ein Gefühl das ich hier eingangs ehrlich gesagt nicht erwartet hatte.
Bei all der kritisierenden Worte stellt sich vermutlich die Frage, wie ich dazu kam, mir das Buch überhaupt zu kaufen - und nein, es war keine Cover-Affinität. Nach einer Leseprobe die mir, kurz vor Erscheinen des Buchs im Laden, in die Hände fiel, war die Entscheidung eigentlich schon getroffen. Denn was mir an Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen am meisten Spaß gemacht hat, ist ein bei Romanen elementar entscheidender Faktor. Ulla Scheler hat einen wahnsinnig angenehmen Schreibstil. Ihre sehr bildlichen Beschreibungen und ausgefallenen Metaphern machen die weniger greifbaren Charaktere um Längen wieder wett. Auch die Zeitsprünge um belanglosere Etappen wie Schlafen, Essen, von A nach B laufen und ähnliches zu überspringen, wirken sehr natürlich und stören kaum.
Alles in allem ist die Freude an dieser Geschichte wohl sehr abhängig von dem Typ Mensch/fiktiver Person mit dem man sich gut identifizieren kann, da die komplette Reise eine reine Selbst- und Gegenseitigfindungs-Tour ist und die Figuren den Großteil der Handlung tragen. falls als wäre die Handlung selbst sekundär, Hauptsache diese vier Jugendlichen treffen aufeinander.
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