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DER Manga 2017

Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga)
Ich weiß, ich weiß, wir haben erst September und dieses Jahr kommen noch ein paar Neuerscheinungen raus. Aber ich komme einfach nicht umhin meinen derzeitigen Favoriten des Jahres zu kühren. Ob da noch Luft nach oben ist, werden die nächsten drei Monate zeigen. In jedem Fall aber kann ich Poison City von Tetsuya Tsutsui nur jedem wärmstens ans Herz legen der, 1. eine kurze Reihe lesen möchte, denn Poison City umfasst nur zwei Bände, 2. Geschichten die Gesellschafts- und/oder Politikkritik anbringen, zu schätzen weiß, 3. Wert auf eine gut durchdachte Soryführung legt oder 4. einen etwas realistischeren beziehungsweise erwachseneren Zeichenstil sucht. Doch was verbirgt sich hinter diesem Titel mit dem zugegeben etwas irreführenden Cover?

Bei dem Titel Poison City in Verbindung mit dem doch recht dramatischen Cover dachte ich zuerst an eine Art Dystopie, vielleicht etwas Action und Drama. Der Klappentext schwächte dieses Bild zwar, da dort die Rede von einem Mangaka ist, der einen Horrormanga zeichnet und somit mit dem geltenden Zensurgesetz in Konflikt gerät, doch was die Geschichte uns letztendlich präsentiert, kommt trotzdem etwas unerwartet.

Hibino Mikio träumt schon lange davon, einen eigenen Manga in die Läden zu bringen. Seine Spezialisierung liegt auf Horrorgeschichten. Nun endlich ist er mitten im Feinschliff seines Werkes "Dark Walker" und bespricht die finale Umsetzung mit seinem Redakteur. "Dark Walker" handelt von einer Seuche namens Kannibalen-Syndrom, die Menschen zu willenlosen Jägern - Kannibalen - macht. Jedoch anders als bei Zombies leben die Opfer weiter. In dieser katastrophalen Welt müssen sich zwei junge Menschen durchs Leben schlagen.
Abseits Hibinos fiktiven Werkes versinkt jedoch auch die Realität im Chaos. Eine selbsternannte Säuberungsfront will Japan von allem schädlichen Befreien und die Regierung hat ein Schriftenbereinigungsgesetz eingeführt. Beide wollen nur eines: Alles das der Entwicklung Japans Kinder schaden könnte verbannen. Darunter fallen jegliche Darstellungen von Gewalt, Drogenkonsum, Missbrauch, Pornografie und vieles weiteres. Die Idee mag auf den ersten Blick löblich und nützlich erscheinen, doch gerät sie sehr schnell aus dem Ruder und unser Protagonist gerät ins Sperrfeuer.

Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga) Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga) Die Cover der beiden Bände Poison City zeigen die Protagonisten des Manga im Manga "Dark Walker". So weit, so kompliziert. Doch in der Geschichte wird nicht etwa Hibinos Werk nacherzählt oder dessen Entstehungsgeschichte verfolgt. Vielmehr wird "Dark Walker" genutzt, um die eigentliche Handlung zu unterstützen, sie zu festigen und stilistisch zum Ausdruck zu bringen.
Das geht mit einer ordentlichen Portion Drama einher, denn die Szenen in Hibinos Leben die er mit seinen eigenen Charakteren beschreibt, wandern auf einem schmalen Grad zwischen politischer Krise und Apokalypse. So wird zum Beispiel die Zensur eines Manga in der Realität mit der Verbrennung eines Menschen in "Dark Walker" in Verbindung gebracht. Diese Bilder gehen so nahtlos in einander über, dass selbst für uns Leser eine Welt zusammenbricht. 
Anfangs will Hibino lediglich eine spannende Geschichte mit vielen Horrorelementen erzählen, doch im Laufe der Handlung wachsen sowohl er als auch seine Geschichte. Sie leiden gemeinsam und stellen sich gemeinsam dem Kampf.



Doch was ist nun mit der eigentlichen Story

Sie ist eine Kritik an der Zensur freier Kunst und deren Ausdrucks. Das Schriftenbereinigungsgesetz besagt, dass Literatur und Unterhaltungsmedien durch einen unabhängigen Ausschuss geprüft werden müssen, bevor sie veröffentlicht werden dürfen. Enthält ein Werk für Kinder und Jugendliche beeinträchtigendes Material wird es als schädlich eingestuft und darf folglich nur noch an volljährige Personen nach Vorlage des Personalausweises verkauft werden. In besonders gravierenden Fällen kann auch der Autor/Erschaffer eines Werkes als schädlich eingestuft und somit vorerst aus dem Verkehr gezogen werden. Dieser ist dann gezwungen sich einer Therapie zu unterziehen, die seinen Drang das "Falsche" und "Menschen unwürdige" darzustellen bereinigen soll.
Welche Absichten die Künstler mit ihren Werken verfolgen, ob sie tatsächlich nur schocken, unterhalten oder aber aufklären und auf Probleme aufmerksam machen wollen, bleibt dabei völlig außer Acht. Die Konsequenzen dessen für Künstler, Fans, die Gesellschaft, die Industrie und die Politik werden facettenreich dargelegt.
Wir als Leser beginnen von Seite zu Seite mehr darüber nachzudenken, wie sinnvoll dieses ganze Vorgehen wirklich sein kann. Sicherlich hat es sowohl seine Vorzüge als auch Nachteile, doch wie weit ist all das ethnisch und moralisch vertretbar? Wie weit kann eine Regierung die freie Meinungsäußerung und die künstlerische Freiheit einschränken?

Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga) In dieser Debatte musste ich unweigerlich an die leider Gottes niemals endende "Killerspiel"-Diskussion denken. Tsutsui-san stellt einen Fall dar, in dem ein Jugendlicher einen Mitschüler mit einer Plastiktüte erstickte. Der Täter soll laut Polizeiangaben einen Manga gelesen haben, der die Thematik von Kindesmisshandlung bearbeitete und im Nu war das Schriftenbereinigungsgesetz erlassen. Besagter Manga durfte fortan nicht mehr verkauft, geschweige denn fortgesetzt werden und der Mangaka verschwand für etliche Jahre von der Bildfläche. Diese Beschreibung erinnerte mich nur zu sehr an den immer und stetig zur Hand liegenden Übeltäter Counter Strike in unserer Gesellschaft.

Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga) Poison City entstand übrigens nicht von ungefähr. Im Nachwort des Manga findet sich ein offener Brief des Mangaka, in dem er sich wegen eines Beschlusses an die Präfektur Nagasaki wendet. Dieser offene Brief sowie eine Beschreibung des kompletten Falls zeigen deutlich auf, was ihn zu diesem Werk bewegte. Ein tatsächlich existierendes Zensurgesetz in Japan verfügte, dass Tsutsui-sans Manga Manhole Jugend gefährdent sei, da er Kinder und Jugendliche zu Gewalthandlungen und Straftaten anstifte.
Das Verfahren in dem dies beschlossen wurde, erscheint einem äußerst fragwürdig und ähnelt stark dem, dass in Poison City angewandt wird. Eine Minute Ansicht pro Manga müssen reichen, um darüber zu verfügen, ob dieser Jugendlichen zugemutet werden darf oder nicht. Dass hierbei der Kontext sowie aufklärende Absichten absolut außen vor gelassen werden (müssen), steht völlig außer Frage.
Um die Entstehung der Geschichte um Poison City besser nachvollziehen und auch das Urteil der Präfektur Nagasaki besser beurteilen zu können, habe ich mir übrigens sogleich Manhole angeschafft und auch diesen gelesen und für euch rezensiert. Na gut, ein wenig Eigennutz steckte auch dahinter, denn ich bin ab Seite eins ein großer Fan Tsutsuis Zeichenstils geworden und liebe seine Erzählweise ungemein. Absolut empfehlenswert!

Rezension zum Manga Poison City (carlsen Manga)

Kommentare

  1. Wow, danke für den Post! Ich bin dem Manga auf Webseiten und in der Buchhandlung schon begegnet, habe aber nie genau nachgelesen, worum es da geht bzw. habe ihn mit einem anderen verwechselt. Klingt nach einem hochbrisanten Stoff, insbesondere in Zeiten von Fake-News warte ich nur darauf, dass irgendwelche Typen mit Verboten und Indexen um die Ecke kommen und alles verbieten, was nicht in das Bild einzelner passt.

    Und was Manga-ka betrifft, so haben die im doch sehr konservativen Japan schon immer eine schwere Zeit gehabt was durchzupauken. Ich erinnere mich noch, dass X-1999 auch mal angeprangert wurde, weil ich glaube ein gewalttätig auffälliger Schüler das gelesen hat oder ... ach, irgendsoeine Schlagzeile gab es da. War zwar nicht der einzige Grund, warum es bei dem Manga nie weiter ging, aber vielleicht der Anfang vom Ende. Traurig!

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    1. Immer gerne :D Freut mich, wenn dich der Beitrag inspiriert/aufmerksam gemacht hat. Tatsächlich habe ich mir den Manga vorrangig wegen dem Artstyle und dem Fakt, dass er nur zwei Bände hat, gekauft. Dass er so deep und gesellschafts- bzw politkritisch wird, hatte ich anfangs auch nicht erwartet. Das hat mich dafür umso mehr umso positiver überrascht.

      Sowas ist unendlich traurig. Wie ich schon erwähnte, die ganze Sache erinnert mich auch stark an unsere niemals enden wollende "Killerspiel"-Debatte. Ich warte ja nur noch darauf, dass jemand der ein Gewaltverbrechen begeht, den Film "American Psycho" (oder ähnliche) gesehen hat und damit die Filmbranche in Verruf bringt. Es ist nicht nur traurig, sondern streckenweise auch lächerlich wie sehr die Schuld auf (Unterhaltungs)Medien geschoben wird.

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  2. afictionesse7/10/17 20:39

    "Manhole" sei jugendgefährdend? Da finde ich teilweise "Death Note" und "Paranoia Agent" gefährlicher.

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    1. Ich empfand Manhole auch nicht als sonderlich beeinflussend, allein weil alles das passiert auf einer Krankheit beruht. Da gibt es einige Manga die eher etwas auslösen könnten.

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